Fährst Du noch selbst, oder… ?
(Gedanken zum automatisierten Fahren)
Eine der größten
Erfindungen aller Zeiten ist das Rad. Forscher vermuten, dass es ca. 5000 Jahre
v. Christus in dem heutigen Irak erfunden wurde. Der Name des genialen
Erfinders ist unbekannt geblieben. Mit dieser Erfindung wurde ein neues
Zeitalter eingeläutet. Auf den mit Rädern statt mit Kufen versehenen
Transportgeräten konnten mit weniger Zugtieren mehr Lasten transportiert
werden. Wahrlich ein Fortschritt, aber eine Niederschrift über den Fahrzeugbau
aus jener Zeit gibt es nicht.
Aufsehen erregte eine Prophezeiung des englischen Philosophen und Theologen
Roger Bacon, der in der Zeit um 1250 n. Christus folgenden Satz
niedergeschrieben haben soll: Auch wird es möglich sein, Wagen zu bauen, die
sich ohne Zugtiere mit unvorstellbare Kraft fortbewegen! Ansonsten brachte das
Mittelalter keine wesentlichen verkehrstechnischen Neuerungen. Zudem war
es auch gefährlich in dieser Zeit Erfindungen zu veröffentlichen.
Überlieferungen zufolge soll schon im 14 Jh. ein Erfinder das Fahrrad konstruiert
haben. Aber auf 2 Rädern konnte nur jemand fahren, der mit dem Teufel im Bunde
stand. Er endete also auf dem Scheiterhaufen. Leider dauerte der Hexenwahn, der
viele Erfinder zum Schweigen veranlasste, Jahrhunderte an.
Es mussten noch Jahrhunderte ins Land gehen bis der australische Anwalt John
Keogh das Rad zum wiederholten Mal „erfunden“ hat und sich dies im Jahre 2001
patentieren ließ. Das Patentamt bescheinigte dem Anwalt, dass ihm doch eine
bedeutende Erfindung gelungen sei! Diese Huldigung wurde dem Anwalt doch zu
viel und er beantragte im Jahre 2003 die Aufhebung seines Patents, denn er
hatte erreicht was er wollte, nämlich einige Leute bis auf die Knochen zu
blamieren.
Mit einer Erfindung von Denis Papin, einem franz. Physiker, begann das „Dampfzeitalter“.
Papin hat im Jahre 1690 die erste „Hochdruckdampfmaschine“ gebaut. Auch andere
Erfinder wie Newcomen und J. Watt beschäftigten sich fortan mit den
Dampfmaschinen. Der Belgier Etienne Lenoir sah die Dampfmaschine nicht als den
idealen Antrieb an. Er stellte der Öffentlichkeit im Jahre 1860 den ersten
Gasmotor vor. Auch in Deutschland gab es für Erfinder eine Aufbruchstimmung.
Der Kaufmann Nikolaus August Otto entwickelte1876 den später nach ihm benannten
Otto-Motor. Als Geburtsstunde des Automobils gilt der 29 Januar 1886. An diesem
Tag erhielt der Erfinder Carl Benz das Patent Nr. 37435 für einen Motorwagen.
Damit nahm die Motorisierung in Europa und in Amerika ihren Lauf.
Auf weitere Erfindungen soll jetzt nicht eingegangen werden. Bald meldeten sich auch die Gegner der Motorisierung zu Wort; so soll 1904 „ Wir, Wilhelm von Gottes Gnaden Kaiser, König von…“ gesagt haben:“ Das Auto ist nur eine vorübergehende Erscheinung, ich setze auf das Pferd!”
Auch der Bahnbrecher Henry Ford (USA) spürte den Gegenwind seiner Ideen und sagte später: Wenn ich die Leute gefragt hätte was sie wollen, hätten sie gesagt, schnellere Pferde. Was die Obrigkeiten angeht muss gesagt werden, sie hatten an Erfindungen nur Interesse wenn man durch diese bei Kriegen im Vorteil war.
Der Tod von Rudolf
Diesel, ungeklärt wie er eigentlich zu Tode gekommen ist, wird auch heute noch
von Historikern mit der damaligen Regierung in Verbindung gebracht, denn er
wollte seine Erfindung allen Menschen zur Verfügung stellen, was die Regierung
allerdings nicht wollte.
Etwa 130 Jahre nach dem Bau des ersten Automobils ist das „automatisierte
Fahren“ zum Thema geworden. Die Fahrzeughersteller und ihre Zulieferfirmen
sehen in dem „automatisierten Fahren“ wo also der Fahrer nur noch im Fahrzeug
anwesend ist, einen Beitrag zum Umweltschutz, zu mehr Sicherheit und zum
besseren Verkehrsfluss.
In Anbetracht der
Vorteile welche die Fahrzeughersteller beim automatisierten Fahren sehen,
wird bald über die Frage, ob man (insbesondere bei Nutzfahrzeugen)
noch hochqualifizierte Fahrer braucht, diskutiert werden. Der
Nutzfahrzeughersteller Scania hat in den Niederlanden 3 Lastzüge
automatisiert gefahren und erfolgreich getestet. Andere Fahrzeughersteller
berichten ebenfalls von erfolgreichen Tests und warten nun auf die Zulassung
des Systems.
Welchen Weg die Kraftfahrt einschlägt, weiß zurzeit niemand. Bleibt es beim
herkömmlichen Fahren oder fahren wir bald vollautomatisiert? Wie lange
gibt es noch ein Lenkrad? Wann haben die Pedale ausgedient? Fragen über
Fragen.
Kalifornien will noch 2015 die Genehmigung zum automatisierten Fahren
erteilen! Aus amerikanischer Sicht hat die EU erst im Jahre 2020 ihre
bürokratischen Hürden genommen. Die EU sieht das anders, sie glaubt erst
im Jahre 2025 alles im Griff zu haben. Um zu verstehen weshalb die
Amerikaner uns um 10 Jahre voraus sein sollen, muss man die Geschichte und das
internationale Regelwerk kennen und verstehen!
Mit dem Ziel
einheitliche Verkehrsvorschriften, zumindest für Europa, zu schaffen kamen im
Jahre1909 in Paris die bedeutendsten Industriestaaten Europas zusammen und als
Ergebnis wurde das „Abkommen von Paris“ verkündet. Schon 1926 musste das
Abkommen überarbeitet werden. Von Bedeutung in diesem Abkommen war die
internationale Fahrerlaubnis-Regelung. Diese Regelung ist heute noch gültig,
kommt aber nicht mehr zur Anwendung. Die UNO (gegr. 1945 um den Frieden zu
sichern) rief 1949 alle interessierten Staaten auf, ein neues Abkommen zu
schaffen. Die Bundesrepublik und die DDR konnten nicht mitmachen weil sie
keine Mitgliedstaaten der UNO waren. Dieses neue Abkommen wurde dann 1949
verkündet als das ECE (Economic Commission for Europe).
(Regionale Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen UN/ECE mit
dem Sitz in Genf)
Dieses Übereinkommen wurde von 87 Staaten unterzeichnet, und war u.a. auch die
Grundlage für weitere Zusatzübereinkommen:
- CMR – Übereinkommen
- ADR – Übereinkommen und das
- AETR – Übereinkommen
(weitere Zusatz-Übereinkommen sind hier nicht aufgeführt) und ist im Jahre 1958 in Kraft getreten).
Das ECE Übereinkommen wurde auch schon geändert um einheitliche technische Vorschriften auf internationaler Ebene zu schaffen und um Schranken beim Handel abzubauen. Die EU kann ECE-Regelungen für alle Mitgliedstaaten MS annehmen, weiterer Regelungen bedarf es dann nicht mehr! Die meisten ECE-Regelungen sind, weil sie bei der Erteilung einer Betriebserlaubnis von Bedeutung sind, von den Vertragsstaaten angenommen. An jedem Fahrzeug oder Bauteil welches eine ECE-Genehmigung erhalten hat, ist das internationale Prüfzeichen anzubringen. Es besteht aus einem Kreis mit dem Buchstaben E und der Landeskennzahl; so steht z.B. 1 für Deutschland, 4 für die Niederlande und 3 für Italien. Viele Länder erkennen, obwohl sie keine Vertragsstaaten sind, die ECE-Regelungen an. Die ECE hat mittlerweile über 120 Regelungen geschaffen. Die bekannteste ist wohl die ECE-R 44/04 (Kindersitz) die ja jede Auto fahrende Mutter kennt. Die ECE hat derzeit 47 Vertragsstaaten zuzüglich der EU, welche alle Mitgliedstaaten vertritt.
Wiener Übereinkommen
von 1968 (WÜ 68)
Das WÜ 68 ist nach dem Weltabkommen von 1926 und dem Genfer Abkommen von 1949
ein weiterer Versuch um international einheitliche Straßenverkehrsvorschriften
zu schaffen. Entstanden ist dieses Regelwerk durch die UN-Konferenz in Wien im
Jahre 1968 und wurde als „Wiener Übereinkommen“ von 1968 verkündet.
Im Gegensatz zur damaligen Sowjetunion haben die USA das WÜ nie unterzeichnet!
Da Deutschland (D) und die damalige DDR der UNO erst 1973 als 133 und 134 Staaten beitreten
konnten, konnte das WÜ 68 erst 1977 von Deutschland unterzeichnet
werden. Trotzdem hat Deutschland im Jahre 1970 eine Neufassung der StVO
auf der Grundlage des WÜ 68 verkündet. Auch die jetzigen
Fahrerlaubnis-Klassen sind in Anlehnung an die im Anhang des WÜ 68
aufgeführten Klassen erstellt worden.
Zusammenfassung:
Alle Vertragsstaaten
verpflichten sich ihre nationalen Regelungen denen des WÜ 68 anzugleichen.
Ferner verpflichten sie sich auch die technischen Vorschriften bezogen auf
Fahrzeuge zu harmonisieren.
Die wichtigsten Abkommen und ihre Entstehungsgeschichte im Bestreben die
Entwicklung, Sicherheit und Harmonisierung des internationalen Straßenverkehrs
zu fördern sind:
- das Genfer Abkommen von 1949
- ECE-Übereinkommen und das
- WÜ 68
Damit sind die
wichtigsten Regelungen aufgezählt.
Das ECE-Übereinkommen und insbesondere das Wiener Übereinkommen werden von
der Auto-Industrie als die großen Hindernisse bei der Einführung des
„Roboterautos“ gesehen. Da die USA das WÜ 68 nie unterzeichnet haben,
brauchen sie auch nicht auf deren Änderung zu warten und sind damit der EU
zeitlich voraus. Für die US-Autoindustrie gelten nach wie vor die FMVSS-
Standards (Federal Motor Vehicle Safety Standard), dies ist eine
Bundesverordnung für Sicherheit von Kraftfahrzeugen in den USA.
Hindernis ECE-Übereinkommen: Die ECE-R 79 (Lenkung) erlaubt kein
automatisches Lenken bei Geschwindigkeiten über 10 km/h. Hindernis WÜ
68 Art. 8: Weil dieser Artikel immer wieder als Haupthindernis aufgeführt wird
und nur wenige Bürgerinnen und Bürger den Inhalt kennen, ist der Text
nachstehend in voller Länge abgedruckt:
Art.8 Führer
(1) Jedes Fahrzeug und miteinander verbundene Fahrzeuge müssen, wenn sie in
Bewegung sind, einen Führer haben.
(2) Es wird empfohlen, in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorzusehen,
dass Zug-, Saum- und Reittiere und, außer in Gebieten, die an ihrem Zugang
besonders gekennzeichnet sind, Vieh, einzeln oder in Herden, einen Führer haben
müssen.
(3) Jeder Führer muss die erforderlichen körperlichen und geistigen
Eigenschaften haben und körperlich und geistig in der Lage sein zu führen.
(4) Jeder Führer eines Kraftfahrzeugs muss die für die Führung des Fahrzeugs
erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten haben; diese Bestimmung bildet jedoch
kein Hindernis für den Fahrunterricht nach den innerstaatlichen
Rechtsvorschriften.
(5) Jeder Führer muss dauernd sein Fahrzeug beherrschen oder seine Tiere führen
können.
Selbstfahrende oder auch automatisiert oder vollautomatisiert fahrende
Kraftfahrzeuge dürfen derzeit in Deutschland nur als Testfahrzeuge -es sollen
z.Z. 100 an der Zahl sein- mit einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 70 der StVZO
als Testfahrzeuge für den Verkehr zugelassen werden; ggf sind noch Ausnahmen
gem. §§ 44 u. 46 der StVO erforderlich.
Um eine herkömmliche Zulassung zu ermöglichen, werden auch noch andere
Vorschriften geändert werden müssen, wie z. B. :
- das Fahrerlaubnisrecht, insbesondere Ausbildung und Prüfung der Fahrerlaubnis-Bewerber,
- die Haftung nach dem StVG,
- § 31 b StVZO (Überprüfung mitzuführender Gegenstände),
- § 142 StGB (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort),
- Haftung gem. Produkthaftungsgesetz v. 15 Dez 1989 EU-Rili 85/374/ EWG,
- die Reaktionszeit, derzeit wird dem Fahrer 1 Sekunde. gewährt, wie viel wird dem System zugebilligt werden?
Beiden
Berufskraftfahrern werden wahrscheinlich noch Änderungen bei den Lenk- und
Ruhezeiten anstehen, weil das Fahrpersonal dann unter „erleichterten
Bedingungen” fährt; so oder ähnlich könnte argumentiert werden.
Sicherlich stehen bald noch mehr Fragen an, an die heute noch keiner denkt.
Dann bleibt noch abzuwarten, wie die Bürgerinnen und Bürger auf die
Erleichterungen beim Fahren reagieren. Immerhin ist bis heute das herkömmliche
Fahren mit herkömmlichen Kraftfahrzeugen für die Fahrerinnen und Fahrer ein
Stück Freiheit und Selbstbestätigung. Jeder fährt nach dem eigenen Gewissen. Es
gibt, anders als am Arbeitsplatz, keine Vorgesetzten für den
Verkehrsteilnehmer, Regeln gelten für alle, ganz gleich ob Chef oder Azubi und
welches Fahrzeug gefahren wird.
Autor: Günter Kolb
Vorstandsmitglied Kreisverkehrswacht Altenkirchen